Ach, wie gut, dass niemand weiß…

Wenn am 16. April 2016 im deutschen Bremerhaven die Schiffshupe ertönt und die ersten von 650 Gefechtsfahrzeugen über die Laderampen von Bord fahren, verwandelt sich das Hafengelände in ein Aufmarschgebiet. Die Vorbereitungen für dieses Aufmarschgebiet mitten in Europa dauerten mehr als zwei Jahre. Warum plant man denn eigentlich seit über zwei Jahren ein europäisches Aufmarschgebiet mit Gefechtsfahrzeugen? Von wem werden derartige Planungen angestellt? Bei diesen Fragen bin ich in den vergangenen Tagen auf die Spur der sogenannten EU-Battlegroup gekommen. Nun stelle ich mir die Frage: Was ist denn eigentlich die EU-Battlegroup?

Die EU-Battlegroup (EUBG) bzw. EU-Kampftruppe ist eine militärische Formation der Europäischen Union (EU) in hoher Verfügbarkeit. Im Kern besteht diese Kampftruppe aus einem Infanterieverband in Bataillonsstärke. Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich nicht wusste, was ein Infanterieverband oder ein Bataillon genau ist. Deshalb hier eine kurze Erklärung aus Wikipedia dazu: Als Infanterie bezeichnet man sich zu Fuß bewegende und kämpfende, mit Handwaffen ausgerüstete Soldaten. In einem Bataillon sind mehrere Kompanien oder Batterien einer Truppengattung zu einer Truppe von 300 bis 1.200 Soldaten zusammengefasst.

Bei der EU-Battlegroup sprechen wir also mutmaßlich von 300 bis 1.200 Soldaten, welche  mit Handwaffen ausgerüstet sind. Darüber hinaus ist die EU-Kampftruppe für sogenannte „Erstmissionen“ in einer Krisenregion gedacht und schafft die nötigen Voraussetzungen für einen weiteren Einsatz. Von welchen „Krisenregionen“ ist denn hier eigentlich die Rede? Derzeit sind insgesamt 26 EU-Mitgliedsstaaten bei der EU-Battlegroup beteiligt. Darüber hinaus gibt es auch beteiligte „Nicht-EU-Mitgliedsstaaten“. Bitte wie? Ja, derzeit beteiligen sich an der EU-Kampftruppe auch Norwegen (NATO-Mitglied), Türkei (NATO-Mitglied), Mazedonien (Nicht-NATO-Mitglied) und die Ukraine (Nicht-NATO-Mitglied). Es gibt jedoch auch EU-Mitgliedstaaten, die sich nicht an diesen „EU-Battlegroups“ beteiligen. In Dänemark gibt es beispielsweise rechtliche Bedenken. Auch Malta beteiligt sich derzeit nicht daran.

Soldaten aus Österreich sind mitten drin…

So weit so gut. Es handelt sich bei dem Projekt „EU-Battlegroup“ also per Definition um ein multinationales militärisches Bündnis. Unter der Führung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) beteiligt sich auch die Republik Österreich an zwei EU-Battlegroups: Dabei handelt es sich um die sogenannte „Battlegroup 107“ sowie um die „Deutsch-Tschechisch-Österreichische Battlegroup“. Die Truppenstärke dieser Battlegroups beträgt jeweils 1.500 Soldaten. (1)

Zurück zum „Aufmarschgebiet“ im deutschen Bremerhaven: In einem Bericht vom 11. April 2016 des Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport der Republik Österreich finden wir unter der Überschrift „Übung „Joint Derby 16“: Anlanden zu Wasser, zu Land und aus der Luft“ folgende Informationen (auszugsweise):

„Die Logistikübung „Joint Derby 16“ bildet den Auftakt zu einer Reihe von Herausforderungen für die österreichischen Soldaten der EU-Battlegroup…

Zwölf Nationen werden die Kompetenzen und Fähigkeiten der Battlegroup trainieren, wie sie im Falle einer Verlegung in ein Einsatzgebiet zur Anwendung kommen könnten. Mitten drin: Die Soldaten des Bundesheeres (Anmerkung: Soldaten des Bundesheeres der Republik Österreich) – für sie geht es besonders um logistische Fähigkeiten, wie das Be- und Entladen von Gefechtsfahrzeugen auf Fährschiffe…“ (2)

Einem weiteren Bericht des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport der Republik Österreich vom 12. April 2016 können wir entnehmen (auszugsweise):

„Gestern begann in Garlstedt, nahe Bremen, mit der „Joint Derby 16“ die größte Verlegeübung des Bundesheeres der vergangenen Jahre. Im Mittelpunkt der bis zum 22. April angesetzten Übung stehen die Verlegung von Truppen über große Entfernungen sowie der anschließende Aufmarsch in einem Verfügungsraum, bevor die Soldaten im Krisengebiet eingesetzt werden…

„Wir haben in den letzten Wochen und Monaten sehr viel vorbereitet. Nun wird die Theorie einem wirklichen Praxistest unterzogen. Dabei werden auch die österreichischen Soldaten die Verlegung zu Lande, zu Wasser und aus der Luft in der Realität üben“, sagt Brigadier Thomas Starlinger, als operativ führender Kommandant…

In Emden werden Fahrzeuge, Container und Personal auf Schiffe verladen. Zusätzlich wird der Lufttransport am Fliegerhorst Wunsdorf trainiert und Soldaten mit einer österreichischen C-130 „Hercules“-Transportmaschine nach Nordholz geflogen. Von dort aus verlegen die Übungsteilnehmer im Landmarsch nach Garlstedt und Bremerhaven…“ (3)

An dieser Stelle sollten wir einmal die verwendeten Begrifflichkeiten kurz zusammenfassen. Es ist also die Rede von „Herausforderungen für die österreichischen Soldaten der EU-Battlegroup“. Es wird demnach gar nicht bestritten, dass sich österreichische Soldaten aktiv an der Übung „Joint Derby 16“ beteiligen. Man berichtet über insgesamt 12 Nationen, die sich an dieser Militärübung beteiligen. Es handelt sich also definitiv um ein multinationales militärisches Manöver. Man spricht von einem „Einsatzgebiet“, „Gefechtsfahrzeugen“, „Aufmarsch“ und „Krisengebiet“. Mehr noch: Die „österreichischen Soldaten werden die Verlegung zu Lande, zu Wasser und aus der Luft in der Realität üben“. Es wird im Rahmen von „Joint Derby 16“ eine österreichische C-130 Hercules Transportmaschine verwendet. Wann werden eigentlich einmal die Menschen in Österreich dazu befragt, ob sie überhaupt möchten, dass Soldaten aus Österreich auch in realen „Krisengebieten“ zum militärischen Einsatz kommen?

Das Bundesverfassungsgesetz

Ich möchte noch einmal meine Aussage von weiter oben wiederholen: Es handelt sich bei dem Projekt „EU-Battlegroup“ per Definition um ein multinationales militärisches Bündnis. Im Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs finden wir folgende Formulierung (4):

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I.

(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.

(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.

Artikel II.

Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.

Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist also die Bundesregierung betraut? Ich stelle mir hier die Frage: Was passiert eigentlich wenn man gegen ein Bundesverfassungsgesetz verstößt? Im Artikel 1 „schwärmt“ man hier von der vielzitierten „immerwährenden Neutralität“. Im Artikel 2 „bekräftigt“ man, dass Österreich in „aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten“ wird. Wow. Starker Tobak. Nur: Wie sieht denn eigentlich jetzt die Realität aus? Was ist die EU-Battlegroup nun wirklich – und noch viel wichtiger – welche Auswirkungen hat die Teilnahme der Republik Österreich an der EU-Kampftruppe auf das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs? Ist dieses Bundesverfassungsgesetz noch zeitgemäß?

Rechtliche Bedenken?

Ich frage mich auch, warum in der österreichischen Mainstream-Presse kaum Berichte über „Joint Derby 16“ auftauchen. Durchaus unterschiedlich fällt nämlich die Bewertung bei der deutschen Mainstream-Presse aus. Hier berichten mehrere (oder eigentlich alle) Redaktionen darüber. In einem Online-Bericht von n-tv am 11. April 2016 können wir beispielsweise unter der Überschrift „Mehr als zwei Jahre Vorbereitung: Bundeswehr startet großes Manöver“ unter anderem nachlesen:

„Die Bundeswehr stellt dabei mit etwa 800 Soldaten das größte Kontingent. Beteiligt sind ferner zahlreiche Soldaten aus den Niederlanden, Österreich, Tschechien und Luxemburg sowie Experten vieler anderer Streitkräfte, darunter der USA, Spaniens und Ungarns…

Nach Angaben der Bundeswehr dauerten die Vorbereitungen für die komplexe Übung mehr als zwei Jahre.“ (5)

Es wäre doch in der Tat dringend notwendig, dass den Menschen in Österreich die Wahrheit über die Neutralität gesagt wird. Faktisch wurde doch die sogenannte „immerwährende Neutralität“ spätestens seit dem EU-Beitritt Österreichs und den daraus folgenden „Verträgen und Verfassungsbestimmungen“ abgeschafft. Dabei werden die Menschen in Österreich von den verantwortlichen „Politik-Darstellern“ betrogen, denn „formell“ wurde eben die Neutralität der Republik Österreich nie aufgegeben. Deshalb jetzt noch einmal meine Frage: Was passiert eigentlich wenn man gegen ein Bundesverfassungsgesetz verstößt?

Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist ja die Bundesregierung der Republik Österreich betraut. Zumindest eine aktuelle Stellungnahme zu diesem Thema hätten sich die Menschen in Österreich wohl längst verdient. Warum kann man beispielsweise in Dänemark (EU-Mitglied) rechtliche Bedenken gegen die EU-Battlegroup haben, während man in Österreich einfach daran teilnimmt? Leider wird dieses Thema jedoch auch weiterhin in Zusammenarbeit mit der österreichischen Mainstream-Presse einfach nicht erwähnt werden. Ganz nach dem Motto: Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass Österreich schon lange seine „immerwährende“ Neutralität aufgegeben hat. Sehr schade.

Der sogenannte „Oberbefehlshaber“ über das Bundesheer der Republik Österreich ist ja der Bundespräsident (Dr. Heinz Fischer). Das lernt man zumindest noch in der Schule. Herr Dr. Heinz Fischer (SPÖ) setzte sich ja „offiziell“ immer für „mehr Transparenz“ ein. Selbst hat er sich leider kaum daran gehalten. Im vergangenen Jahr nahm er sogar am Bilderberg-Treffen teil. Haben Sie einen „transparenten“ Bericht über die besprochenen Themen dieser Bilderberg-Konferenz vom Bundespräsident der Republik Österreich gehört? Haben Sie überhaupt davon gewusst, dass Herr Dr. Heinz Fischer am Bilderberg-Treffen in Tirol teilgenommen hat? Natürlich nicht. Es wird ja bekanntlich „stillschweigen“ unter den Teilnehmern vereinbart. Kann man hier in der Tat von „Transparenz“ sprechen? In wenigen Tagen wird in Österreich dann ohnehin ein „neuer“ Bundespräsident gewählt. Man sollte jedoch wohl stark bezweifeln, dass der Nachfolger von Herrn Dr. Heinz Fischer dann die Menschen in Österreich endlich näher über den aktuellen Status der „immerwährenden Neutralität“ informieren wird.

.

weiterführende Links:
(1) wikipedia.org: EU-Battlegroup
(2) bundesheer.at: Übung „Joint Derby 16“: Anlanden zu Wasser, zu Land und aus der Luft
(3) bundesheer.at: Übung „Joint Derby 16“: Startschuss für österreichische Soldaten
(4) ris.bka.gv.at: Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs
(5) n-tv.de: Bundeswehr startet großes Manöver


Bildnachweis: Beitragsbild via pixabay.com / Fotograf: skeeze / Lizenz: Public Domain CC0