Wir alle sind Terroristen?

Ab 01. April 2012 stehen alle Österreicher/Innen unter Generalverdacht. Das ist leider kein April-Scherz von mir. An diesem Sonntag startet nämlich die sogenannte „Vorratsdatenspeicherung“ in Österreich. Über eine Richtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten) werden die EU-Mitgliedstaaten zur Speicherung von Telekommunikationsdaten auf Vorrat verpflichtet.

Mit anderen Worten: Diese Richtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten, die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung in die jeweilige nationale Gesetzgebung zu übernehmen. Als Zweck der Vorratsdatenspeicherung werden vor allem die besseren Möglichkeiten zur Verhütung und Verfolgung von schweren Straftaten angeführt.

Aber halt! Bereits Anfang November 2007 wurde ein entsprechender Gesetzestext in der Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Mit einem Urteil vom 02. März 2010 erklärte das deutsche Bundesverfassungsgericht diese gesetzliche Regelung zum Thema „Vorratsdatenspeicherung“ jedoch für nichtig und verfassungswidrig. An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen (und diesen Punkt finde ich sehr interessant!), dass es in der Bundesrepublik Deutschland lediglich ein Grundgesetz jedoch keine Verfassung gibt. Linktipp: http://verfassung-jetzt.org/

Verfassungswidrig!

Auch in Rumänien wurde das Gesetz, welches zur Vorratsdatenspeicherung erlassen wurde, vom dortigen Verfassungsgericht wieder aufgehoben. In diesem Urteil wird gar  folgendes festgestellt: „…eine verdachtslose Vorratsdatenspeicherung drohe die Unschuldsvermutung „auszuhebeln“, erkläre die gesamte Bevölkerung zu potenziellen Straftätern, erscheine „exzessiv“ und verstoße gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention„.

Sehr ähnlich erscheint die Situation auch in Tschechien. Dort stellte das Verfassungsgericht fest, dass augenscheinlich Zweifel daran bestünden: „…ob eine unterschiedslose und vorsorgliche Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten nahezu jeder elektronischer Kommunikation im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs und die Vielzahl der privaten Nutzer elektronischer Kommunikation erforderlich und verhältnismäßig ist.“ Darüber hinaus meinten die Richter in Tschechien, dass dieses Gesetz dem Recht auf Privatsphäre und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung widerspricht.

Was wird genau überwacht?

Sehen wir uns doch mal an, was die Richtlinie der EU zum Thema Vorratsdatenspeicherung vorschreibt (für den gesamten Text der EU-Richtlinie siehe weiterführende Links):

1. Telefonie (Festnetz und Mobilfunk inkl. SMS und MMS)

– Die Rufnummer des anrufenden Anschlusses.
– Der Name und die Anschrift des Teilnehmers bzw. registrierten Benutzers.
– Die angewählte(n) Nummer(n) (die Rufnummer(n) des angerufenen Anschlusses)
– Bei Zusatzdiensten wie Rufweiterleitung oder Rufumleitung die Nummer(n), an die der Anruf geleitet wird.
– Die Namen und Anschriften der Teilnehmer oder registrierten Benutzer.
– Datum und Uhrzeit des Beginns und Endes eines Kommunikationsvorgangs.
– Der in Anspruch genommene Telefondienst.
– Die Rufnummern des anrufenden und des angerufenen Anschlusses.
– Die internationale Mobilteilnehmerkennung (IMSI) des anrufenden Anschlusses.
– Die internationale Mobilfunkgerätekennung (IMEI) des anrufenden Anschlusses.
– Die IMSI des angerufenen Anschlusses.
– Die IMEI des angerufenen Anschlusses.
– Die Standortkennung (Cell-ID) bei Beginn der Verbindung.
– Daten zur geographischen Ortung von Funkzellen durch Bezugnahme auf ihre Standortkennung (Cell ID).
– Bei Wertkarten: Datum und Uhrzeit der ersten Aktivierung des Dienstes und die Kennung des Standorts (Cell-ID).

2. Internetzugang, E-Mail und Internet-Telefonie (z.B.: Skype)

– Die zugewiesene Benutzerkennung.
– Die Benutzerkennung und die Rufnummer, die jeder Nachricht im öffentlichen Telefonnetz zugewiesen werden.
– Name und die Anschrift des Teilnehmers, dem eine IP-Adresse, Benutzerkennung oder Rufnummer zugewiesen war.
– Die Benutzerkennung oder Rufnummer des vorgesehenen Empfängers eines Anrufes mittels Internet-Telefonie.
– Die Namen und Anschriften der Teilnehmer und die Benutzerkennung des vorgesehenen Empfängers einer Nachricht.
– Datum und Uhrzeit der An- und Abmeldung beim Internetzugangsdienst.
– Die vom Internetprovider einer Verbindung zugewiesenen dynamischen oder statischen IP-Adresse.
– Datum und Uhrzeit der An- und Abmeldung für einen Internet-E-Mail-Dienst.
– Datum und Uhrzeit der An- und Abmeldung für einen Internet-Telefonie-Dienst.
– Der in Anspruch genommene Internetdienst.
– Die Rufnummer des anrufenden Anschlusses für den Zugang über Wählanschluss.
– Der digitale Teilnehmeranschluss (DSL) oder ein anderer Endpunkt des Urhebers des Kommunikationsvorgangs.

Was kostet die Vorratsdatenspeicherung?

Bereits im Jahr 2005 schätzte der EU-Datenschutzbeauftragte die Kosten auf rund 150 Millionen Euro. Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet Staaten jedoch nicht zur finanziellen Entschädigung der betroffenen Unternehmen (z.B.: Internetprovider). Allein in Österreich wurden die Kosten für die Vorratsdatenspeicherung im Februar 2011 auf 15 bis 20 Millionen Euro geschätzt. Dabei werden 20 % dieser Kosten von den Unternehmen selbst getragen. Die restlichen 80 % übernimmt der Bund (Infrastrukturministerium, Innenministerium und Justizministerium).

Mit anderen Worten kann man also ohne weiteres behaupten, dass sämtliche Kosten für die Vorratsdatenspeicherung von uns Steuerzahlern zu berappen sind. Die Gelder vom Bund kommen ohnehin aus unseren Steuergeldern, und die Kosten der Unternehmen werden mit Sicherheit in Form von höheren Gebühren wiederum an deren Kunden weitergegeben.

Was ist daran problematisch?

Die Vorratsdatenspeicherung stellt wohl die bislang größte Gefahr für unser Recht auf ein freies, selbstbestimmtes und privates Leben dar:

– Es wird unverhältnismäßig in die persönliche Privatsphäre eingegriffen.
– Terrorismus oder Kriminalität wird dadurch nicht verhindert.
– Von Kriminellen kann sie mit technischen Hilfmitteln leicht umgangen werden.
– Die Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen das Menschenrecht auf Privatsphäre und Selbstbestimmung.
– Sie ist teuer und belastet Wirtschaft und Verbraucher/Steuerzahler.

Wieder einmal sind also wir, das Volk 2.0, gefordert, gegen dieses Thema vorzugehen. Es gibt sowohl in Österreich als auch in Deutschland Bürgerinitiativen gegen die Vorratsdatenspeicherung (siehe weiterführende Links). Daran sollten wir uns unbedingt beteiligen und diese Aktionen tatkräftig unterstützen. Zeigen wir unseren Politikern, dass wir unsere Zukunft mitbestimmen wollen! Zeigen wir unseren Politikern, dass wir nicht bereit sein werden, auf unsere Freiheit und auf unsere Menschenrechte zu verzichten.

weiterführende Links:
Wikipedia: Vorratsdatenspeicherung
Wikipedia: Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten
Bürgerinitiative Österreich: Stoppt die Vorratsdatenspeicherung!
Deutschland: Stoppt die Vorratsdatenspeicherung!